Bier brauen zu Hause: Altes Wissen kehrt zurück

Noch vor einigen hundert Jahren gab es fast an jedem Hof jemand, der Bier brauen konnte. Meist waren es Frauen, die den Kessel heizten, und mit Gerste, Wasser, Hopfen und Hefe jenen herrlichen Haustrunk brauten, der das Gesinde und die Herrschaften dann nach Einbruch der Nacht erfreute. Mit dem Einbruch der Industrialisierung ging dieses breite Wissen leider verloren.
Erst mit dem Erfolg des Craftbeers in Amerika in den 80er Jahren, und der “Do it Yourself Welle” via YouTube gerät seit einigen Jahren nun auch das Bierbrauen wieder zum Trend hierzulanden. Die heimische Hobbybrauer Szene startete im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien oder Spanien zwar eher spät. Seit rund 5 Jahren sprießen Braushops und Ausrüster für Hobbybrauer aber nun auch hier zahlreich aus dem Boden. Sie ziehen eine wachsende Schar von hemdsärmeligen Neo-Brauern heran, die nicht nur Märzen, Lager und Pils, sondern auch exotische Sorten trinken – und selbst brauen – wollen: Vom hopfenbetonten India Pale Ale bis zum belgischen Whitbier mit Orangenschalen und Koriander.
Mit 30 Liter Töpfen, Einkochern und Gäreimern stehen sie stundenlang in der Küche und maischen, läutern, kochen und fermentieren fachmännisch wie ihre Kollegen in den großen Brauereien. Allerdings mit dem großen Vorteil, jedes Mal etwas anderes ausprobieren zu können nebenbei auch exotische Rezepte, neue Rohstoffe und neue Brautechniken ausprobieren zu können. Das Reinheitsgebot wird dabei gerne einmal ignoriert – verbietet es doch zB die Beimengung von Früchten und Gewürzen, oder anderen Substanzen, selbst dann wenn diese vollkommen biologisch sind. Der sechs bis acht Stunden dauernde Brautag wird im Verein mit Freunden gerne zum Happening gemacht, wo man sich hilft und nebenbei neue Biere verkostet.
Experten schätzen die Zahl der Hobbybrauer insgesamt auf rund 20-25.000, mit stark steigender Tendenz. Der Wissens-Austausch findet weitgehend über das Deutsche Hobbybrauer-Forum statt. Mit 10.400 Mitgliedern und vielen unregistrierten Mitlesern ist es der wohl größte Knowhow-Exchange für die DACH Region. Auch in Facebook gibt es einige Gruppen mit Tausenden Mitgliedern, in denen man sich gegenseitig Tipps gibt, oder Rezepte und Fotos austauscht.
Wer zum ersten Mal Bier braut, findet etwa die Hälfte der nötigen Ausrüstung wie etwa große Kochtöpfe und Löffel, Waagen, Reinigungsmittel oder Thermometer schon in der eigenen Küche. Den Rest, wie zB. Gäreimer, Bierspindel oder Filter-Vorrichtungen kann man zB beim größten einschlägigen Shop auf hobbybrauerversand.de beziehen. Dort gibt es auch spezifische Technik und Tools.
Erste Veranstaltungen nur für Hobbybrauer gibt es zB mit der “Home & Craft” immer im September in Stralsund an der Ostsee, der “Hobbybrauer-Convention” im März auf Schloss Rodmont, oder einem eigenen Hobbybrauer-Bereich auf der weltgrößten Biermesse in Nürnberg, der Braubeviale (November 2019). Viele große Brauereien wie zB Ottakringer in Wien, oder Störtebecker in Stralsund haben den Trend zu Craftbier und zum Heimbrauen erkannt und unterstützen die Szene eifrig mit Knowhow und Räumlichkeiten. Zuweilen, wie im Fall vom Ottakringer Brauwerk, gibt man auch Starthilfe mit Brau- und Bier-Sommelierkursen.
Vom 18-19. Oktober diesen Jahres startet zudem die erste rein virtuelle Hobbybrauer-Messe. Auf Hopfenfreaks.com können Anfänger und Fortgeschrittene in 25 Vorträgen und einem eigenen Expo-Bereich alles über das Hausbrauen herausfinden. Prominente Vortragende sind unter anderem die Geschäftsführer des Deutschen Brauerbunds, der Bier Sommelier-Vereinigung, oder des Hobbybrauer-Magazins. Zahlreiche Hobbybrauer stellen ihre Anlagen vor, die oft schon mit modernster Automatisierungs-Technik ausgerüstet sind. Tickets für den 18. und 19. Oktober sind auf hopfenfreaks.com kostenlos erhältlich, wer die Vorträge und Kurse auch danach noch sehen will, oder in den Genuss von Bonus-Material und weitere Vorträgen kommen will, kann ein VIP-Ticket um 69 Euro lösen.